Sieben Dinge, die du nicht über Zweisprachigkeit wusstest
Die Fähigkeit, in zwei oder mehr Sprachen zu funktionieren, erscheint beinahe wie eine Superkraft – das findet auch die Wissenschaft. In den vergangenen Jahren sind die Auswirkungen von Zweisprachigkeit zunehmend erforscht worden, wobei vor allem deutlich wurde, dass sie überwältigend positiv ausfallen.
(Ja, es gab eine Zeit, als man annahm, dass das Lernen einer zusätzlichen Sprache als Kind das Gehirn bloß verwirren würde. Gottseidank sind diese Zeiten längst vorbei.) Hier sind Sieben Gründe, wieso Zweisprachigkeit großartig ist.
1. Zweisprachige Kinder besitzen eine bessere Sozialkompetenz
Zweisprachig aufwachsende Kinder gelten als sozial intelligenter als gleichaltrige Kinder, die nur mit einer Muttersprache aufwachsen. Diese Studie hat gezeigt, dass zweisprachige Kinder die Interaktionen anderer Menschen besser einzuschätzen vermochten: Im Grunde bedeutet das, dass sie sich gut in andere hineinversetzen und Dinge aus deren Perspektive betrachten konnten.
Was dabei in der Entwicklung herauskommt, nämlich gesteigerte Fähigkeiten auf zwischenmenschlicher Ebene ebenso wie beim Verstehen und Zuhören, ist in der heutigen Welt selbstverständlich wichtiger als je zuvor.
2. Demenzabwehr
Wenn wir anfangen, eine neue Sprache zu lernen, fühlt sich die geistige Anstrengung, von einer in die andere Sprache zu wechseln, manchmal auch körperlich anstrengend und ermüdend an.
Glücklicherweise lässt diese Erschöpfung nach, wenn wir besser werden; darüber hinaus haben die geistige Anstrengung des Fremdsprachenlernens und die damit einhergehende Gedächtnisleistung aber auch messbare Vorteile für unser Gehirn und unsere Gesundheit.
Degenerative Krankheiten wie Demenz lassen sich durch regelmäßiges Gehirntraining auf Abstand halten, und Zweisprachigkeit wurde mit einem späteren Beginn von Demenzerkrankungen und einer schnelleren Genesung nach einem Schlaganfall in Verbindung gebracht.
Bis vor kurzem galt noch, dass Zweisprachige intelligenter sind, aber inzwischen sagen die Forscher, dass die Wahrheit ein wenig komplexer ist. Unbestreitbar ist aber nach wie vor, dass Sprachenlernen ein sehr gutes Hirntraining darstellt.
Es gibt zahlreiche kognitive Vorteile: Erhöhte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, eine bessere Fähigkeit zur Verarbeitung widersprüchlicher Informationen, verbesserte Konzentration, überlegene Problemlösungskompetenz und geistige Beweglichkeit.
All das sind Aspekte, die Teil eines größeren Konzepts multipler Intelligenzen darstellen und zeigen, dass die Vorteile der Zweisprachigkeit sich nicht auf das traditionelle Verständnis von Intelligenz beschränken.
4. Mit Zweisprachigkeit lässt sich Geld verdienen
Sprachen erhöhen den Saldo, und das sowohl individuell als auch national gesehen. In der Schweiz, wo die meisten Bürger mindestens zwei Sprachen fließend beherrschen, hat eine Studie geschätzt, dass die Mehrsprachigkeit für ganze 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich ist.
Betrachtet man umgekehrt Einsprachigkeit in Kombination mit fehlenden Investitionen ins Fremdsprachenlernen, lässt sich durchaus die Gefahr von finanziellen Verlusten feststellen.
Die Situation der Schweiz kontrastiert auffallend der in Großbritannien, wo der geschätzte Verlust von 3,5% der BIP, was etwa £48 Milliarden Pfund entspricht, dem sturen Festhalten am Englischen als alleiniger Landessprache zuzuschreiben ist.
Schaut man genauer hin, wird rasch klar, dass der Einzelne zwar definitive von seiner Mehrsprachigkeit profitiert, andere Faktoren daran aber ebenfalls ihren Anteil haben, etwa der Bildungsgrad, die Branche und die jeweilige geografische Region.
Es ist allerdings schwierig, die Höhe solcher Einflüsse exakt zu beziffern. Studien in Nordamerika berichten über einen Gehaltszuwachs von 3-7% (in Kanada) und etwa 1,5 – 3,8% (in den Vereinigten Staaten, wo Sprecher des Deutschen im Laufe ihrer Karriere in den Genuss von geschätzten 128.000 zusätzlichen Dollar kommen).
In Indien verdienen Angestellte mit englischen Sprachkenntnissen im Durchschnitt ganze 34% mehr pro Stunde.
5. Dein multikulturelles Ich
Aber stecken wir das Portemonnaie wieder weg und betrachten stattdessen unsere Gesellschaft. Natürlich bedeutet Zweisprachigkeit in erster Linie, dass man in der Lage ist, sich mit Menschen aus anderen Kulturen auszutauschen (und das ist bereits ein beträchtlicher Vorteil).
Aber wenn man die Messlatte etwas höher legt, ist der vielleicht wichtigere Punkt, den es hervorzuheben gilt, dass Zweisprachigkeit die Empathie stärkt. Es gibt Studien zu Weltoffenheit, Aufgeschlossenheit und kultureller Sensibilität, die beweisen, dass Mehrsprachige auch hier besser abschneiden als Menschen, die nur ihre Muttersprache beherrschen.
Wieso? Weil die Erfahrungen, die man macht, wenn man in eine weitere Sprache eintaucht, es einem ermöglichen, eine Sache auch aus der Sicht der anderen Kultur zu betrachten.
6. Zweisprachige nehmen die Welt tatsächlich anders wahr
Wenn man die Welt nur mithilfe einer einzigen Sprache begreift und erlebt, kann man sich kaum vorstellen, auf welche Weise eine zweite Sprache diese Wahrnehmung verändern sollte. Aber genau das tut eine Sprache.
Denk nur an die vierzig unterschiedlichen Wörter für Schnee bei den Finnen, oder die oft geteilten Listen unübersetzbarer Wörter, die immer wieder durch die sozialen Netzwerke geistern.
Durch die Verwendung ihrer jeweiligen gemeinsamen Sprache erleben einige Kulturen die Welt sehr viel existenzieller, haben einen stärkeren Bezug zum Winter oder führen vielleicht “extrem laute” Gespräche mit der Familie am Mittagstisch (Ciao, Italia!).
Und wenn du durch die Sprache einen Einblick in diese Kultur bekommst, stößt du recht schnell auf Wörter und Wendungen, bei denen du dich fragst, wie du je ohne diesen bestimmten Ausdruck durchs Leben gehen konntest. Die Antwort?
Du hast das Wort vorher nicht gebraucht, aber hier in deiner zweiten (oder dritten, vierten, fünften …) Kultur ist es ein zentraler Begriff, über den kaum jemand nachdenkt.
7. Weit verbreiteter als du vielleicht denkst
Wenn du au seiner strikt einsprachigen – und wahrscheinlich vom Englischen dominierten – Kultur stammst, erscheint dir der Gedanke vielleicht weit hergeholt, aber mach dir einmal klar, dass geschätzt die Hälfte der Welt zweisprachig ist, Tendenz steigend.
Derzeit gibt es in den USA mehr Spanischsprecher als in Spanien, wodurch die Vereinigten Staaten zur Heimat der zweitgrößten spanischsprachigen Gruppe nach Mexiko geworden sind.
Und um nur ein Beispiel von Englisch als Zweitsprache zu geben, die skandinavischen Länder haben das bekanntlich hohe Englischniveau ihrer Bevölkerung gezielt entwickelt und gefördert, und zwar mithilfe einer frühen Einbindung des Fremdsprachenlernens in den Lehrplan ihrer Schulen, verbunden mit immersiven Lerntechniken.
Schauen wir nach Asien, finden wir zu diesem Zeitpunkt in China mehr Menschen, die Englisch lernen, als in irgendeinem anderen Land der Welt. Auch in Malaysia und Vietnam hat man sich der Fremdsprachenausbildung verschrieben: Eltern schicken ihre Kinder zum Englischlernen ins Ausland oder geben dieser Sprache den Vorzug vor denen der Nachbarländer.