EF Talks: EF Gastmutter Rita spricht über Willkommenskultur
Wir haben Rita bei sich zu Hause in Brighton in England besucht. Mit ihren gütigen Augen und dem fröhlichen Wesen hat sie es uns ganz leicht gemacht, uns gleich auf Anhieb bei ihr wohlzufühlen. Sie bot uns sofort eine Tasse Tee an. “Ich stricke eigentlich die ganze Zeit. Ich stricke Spielsachen und Babykleidung”, erklärte sie gutgelaunt, als sie uns die Tassen hinstellte und ihre Stricksachen aus dem Weg räumte.
Ihr Haus wirkt ebenso einladend. Die Wände sind geschmückt mit unzähligen Fotos der ausländischen Studierenden, die bei ihr gewohnt haben: Schnappschüsse von Geburtstagspartys, Ausflügen ans Meer oder Teestunden mit den Schülern und Studenten. Das alles zeigt deutlich, dass sie alles dafür tut, die vielen ausländischen Gästen, um die sie sich kümmert, mit Herzlichkeit und Wärme willkommen zu heißen und ihnen ein Zuhause in der Ferne zu bieten.
Wir wollten mehr über Willkommenskultur und die Kunst, eine gute Gastgeberin zu sein, erfahren. Also haben wir einen Schluck Tee probiert und dann unsere Fragen gestellt:
Danke, dass wir dich besuchen durften, Rita. Beginnen wir am Anfang: Was hat dich dazu gebracht, Gastmutter für ausländische Studierende zu werden?
Ich arbeite zwar in Teilzeit, aber ich habe immer wieder darüber nachgedacht, was ich noch machen könnte, um etwas Geld dazu zu verdienen. Meine Freundin schlug vor, ich könne doch Schüler aus dem Ausland bei mir wohnen lassen, und so hat das angefangen. Über die Jahre habe ich einige sehr nette Menschen kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Manchmal schreiben mir die ehemaligen Studierenden auch und melden sich wieder.
Wie begrüßt du deine Hausgäste, wenn sie hier ankommen?
Wenn neue Gäste ankommen, stelle ich mich ihnen vor und zeige ihnen ihr Zimmer. Ich sage immer, dass sie jederzeit nach unten kommen und sich in der Küche überall bedienen können. Solange sie bei mir wohnen, müssen sie nicht jedes Mal extra fragen, wenn sie etwas essen oder trinken möchten.
Wenn gerade keine anderen Studenten hier sind, die ihnen zu Beginn behilflich sein können, dann nehme ich den jeweiligen “Neuling” einmal mit zur Schule, damit er oder sie den Weg kennt und in den richtigen Bus steigt.
Das klingt ja wirklich nett. Du hast sicher eine Menge schöner Erinnerungen an die Studenten, die hier gewohnt haben. Wie lange machst du das jetzt schon?
Inzwischen seit mehr als drei Jahren, und ich habe in dieser Zeit über 80 Schüler und Studenten zu Gast gehabt. Ich habe keinen Computer, also habe ich hier einen Aktenordner, in dem alle meine bisherigen Gäste aufgeführt sind – eine schöne Bilanz der Studierenden, die hier gelebt haben, und es hilft mir außerdem, wenn sie mich dann später wieder besuchen kommen, damit ich mich genau erinnern kann, wer wer ist.
Beeindruckend! Und das Bild da an der Wand hinter dir – sind das einige der Studenten, die hier gewohnt haben?
Ja! Im letzten Jahr hat die Schule einen Abend der offenen Tür veranstaltet und das Datum war zufällig auch mein Geburtstag. Ich wurde also eingeladen und es war ein richtig schöner Abend – ich habe viele andere Gastfamilien aus Brighton kennengelernt. Meinen Schülern habe ich gesagt, dass ich abends nicht da bin, und als ich nach der Veranstaltung nach Hause kam, wollten mich die drei Mädchen, die bei mir wohnten (aus Südkorea, Frankreich und Japan) nicht ins Haus hineinlassen! Eine von ihnen rief immer wieder, ‘Du kannst nicht reinkommen, du kannst nicht reinkommen!’ Nach zwanzig Minuten kamen sie heraus und sangen mir ein Geburtstagsständchen, und als ich dann endlich ins Haus durfte, hatten sie den Tisch gedeckt, es gab Tee und auf dem Fußboden war alles voller Luftballons. Das war eine sehr nette Überraschung.
Wunderbar. Wie gefällt den ausländischen Gästen denn Brighton?
Die lieben die Stadt! Sie kommen hier an und können gar nicht fassen, wie viel man hier unternehmen kann. Besonders, wenn sie selbst aus ländlichen Gegenden kommen. In Brighton gibt es eine Menge Möglichkeiten für die Studierenden, und auch das Nachtleben kann sich sehen lassen.
Bleibst du mit deinen Gästen in Kontakt, nachdem sie wieder abgereist sind?
Ja, ich bleibe mit einigen meiner Schüler und Studenten in Kontakt. Sie schicken mir immer mal wieder eine SMS oder schreiben Briefe.
Ein Mädchen aus der Schweiz hat vor Kurzem ein Baby bekommen, da habe ich ein paar Dinge für sie gemacht und ihr selbstgestrickte Babykleidung geschickt: Eine Kuscheldecke und ein Jäckchen und ein Mützchen. Und gestern habe ich von ihr ein Päckchen mit Süßigkeiten zum Geburtstag geschickt bekommen!
Was wäre denn ein typisches Essen, das sie für ihre Hausgäste zubereiten?
Normalerweise kommen die Schüler gegen Sieben Uhr abends nach Hause. Ich sehe zu, dass ich jeden Tag etwas anderes koche, zum Beispiel Shepherd’s Pie oder Lasagne. Ich möchte, dass sie abends eine warme Mahlzeit bekommen, und ich koche wirklich sehr gerne!
Meistens müssen sie nach dem Abendessen noch Hausaufgaben machen, dann sitze ich im Wohnzimmer und stricke.
Sind die jungen Leute manchmal auch nervös, wenn sie gerade erst angekommen sind?
Ich hatte hier ein Mädchen aus Frankreich – sie war von September bis Oktober hier – und sie war zu Beginn sehr ängstlich, aber als ich mich mit ihr hingesetzt und geredet haben, wurde sie zunehmend ruhiger. Als ich sie dann etwas besser kennenlernte, verriet sie mir, dass sie zum allerersten Mal allein ohne ihre Familie irgendwo war und dass sie wirklich Angst gehabt hatte, es würde ihr hier nicht gefallen, oder sie würde vielleicht mich oder auch die Schule nicht leiden können. Glücklicherweise hat sie sich dann aber ganz schnell eingelebt und wohlgefühlt.
Was war denn zum Beispiel eine ihrer liebsten Erfahrungen?
Ich hatte zwei Jungs aus Italien hier, und in ihrer letzten Woche sagten sie, dass sie einen Ausflug nach Portsmouth machen wollten, und luden mich ein, mitzukommen.
Um sich bei mir zu bedanken, haben sie mir auch die Zugfahrt bezahlt – sie wollten mich einfach mal ausführen, um mir danke für alles zu sagen, was ich für sie getan hatte. Beim Ausflug haben sie eine Menge Fotos gemacht und als wir nach Hause kamen, haben sie mir die Bilder gezeigt. Als ich am nächsten Tag nach Hause kam, haben sie mir ein Geschenk überreicht – sie hatten eins der Fotos ausgedruckt und gerahmt, und das hängt jetzt auch hier an der Wand.
Und als ich in diesem Jahr einmal in die EF-Schule in Brighton kam, da betrat ich das Büro und alle, die dort arbeiteten begrüßten mich und wussten, wer ich war, kannten alle meinen Namen – denn dasselbe Foto hängt auch an der Wand in der EF-Schule!
Was war der längste Zeitraum, den ein Schüler oder Student bei dir gelebt hat?
Sechs Monate bisher. Aber nächste Woche kommen neue Studierende, die wollen ganze acht Monate bleiben!
Du scheinst ganz schön Eindruck zu hinterlassen im Leben der jungen Menschen, die bei dir wohnen, oder?
Mir macht das doch auch großen Spaß. Ist eine bereichernde Erfahrung für mich und ich habe einige sehr nette Menschen auf diesem Wege kennengelernt. Ich hatte immer Haustiere, aber als mein letzter Hund gestorben ist, war ich ganz schön einsam. Eine Gastmutter zu werden, hat mir da sehr geholfen.
Ich habe keine eigene Familie, also versuche ich mich so um meine Studierenden zu kümmern, als wären sie meine Familie. Wenn ich einen Sohn oder eine Tochter hätte, die ins Ausland geht, dann würde ich mir ja auch wünschen, dass er oder sie dort gut behandelt wird, dass sich jemand kümmert.
Es war so schön, dich zu treffen, Rita! Vielen Dank, dass du uns von deinen Erfahrungen und Erlebnissen erzählt hast!
Danke, dass ihr mich besucht habt! Es war auch sehr schön, euch kennenzulernen!